07| Zehntscheune

Am westlichen Ende des Schlüsselfelder Marktplatzes steht neben dem Stadttor das ehemalige würzburgische Amtshaus, heute das Rathaus der Stadt Schlüsselfeld.

Foto: Stadt Schlüsselfeld

Am Rathaus hängt, angebaut und im rechten Winkel, die ehemalige Zehntscheune. Ein Ensemble, das miteinander entstanden ist, das aber nur noch den Rest einer Anlage darstellt, die hier in fast 400 Jahren Nutzung als Amtshaus, Forstamt, Rathaus und Bauhof vorhanden war.

Am 17. Januar 2016 war der Umbau der ehemaligen Zehntscheune in einen „Bürgersaal” abgeschlossen. Der Bürgersaal wurde offiziell eingeweiht und übergeben. Dies war die bislang größte Veränderung, die die Zehntscheune erfahren hat.

Das Städtchen Schlüsselfeld gehörte seit 1396 vollständig zum Fürstbistum Würzburg. Die Amtsleute und die Vögte des Bischofs lebten in der großen Wasserburg Thüngfeld. Auch das halbe Dorf Thüngfeld gehörte zu Würzburg. Warum Fürstbischof Philipp Adolf von Ehrenberg sich zwei Jahre nach seinem Amtsantritt entschlossen hat, für den Schlüsselfelder Amtmann ein neues Amtshaus zu bauen, lässt sich nicht mehr ergründen. Es war die Zeit der Gegenreformation, aber auch der Höhepunkt der Hexenverfolgung im Fürstbistum Würzburg. Ebenso nicht mehr ergründen lässt sich, was auf dem „Bauplatz” des Amtshauses und der Zehntscheune vorher war. Vieles spricht dafür, dass es sich um „Gartenfläche”, durchzogen vom Bach zur Stadtmühle, handelte.

Dass das Amtshaus (1625/1626) und die Zehntscheune (1627/1628) miteinander geplant und gebaut wurden, ist unbestreitbar. Unter Teilen beider Gebäude befinden sich Gewölbekeller, die einen gemeinsamen Eingang haben. Dieser Eingang liegt zwischen den beiden Gebäuden und war auch gleichzeitig die Grundlage zur Nutzung der oberen Teile der Zehntscheune. Beim Bau der Zehntscheune wurden der Gewölbekeller und das Erdgeschoss der Zehntscheune massiv aus Stein errichtet. Die Gewölbe und die Erdgeschossdecke bildeten den Boden für den darüber liegenden Scheunenboden. Es war eine der Überraschungen, die die Voruntersuchungen zum Umbau der Zehntscheune mit sich gebracht haben, dass hier erst einmal nur die Außenmauern und das mächtige Dach errichtet wurden. Ob es sich um eine geplante Ausführung handelt (Scheunencharakter), oder ob die Bauarbeiten durch den Dreißigjährigen Krieg unterbrochen wurden, lässt sich nicht mehr feststellen. Wir wissen, dass ab 1631 der Dreißigjährige Krieg in den Steigerwald kam und ein entvölkertes und verbranntes Land hinterließ. Im Schlüsselfelder Stadtbuch steht: 1646 (26.02.-07.03.) ist General Wrangel durch Schlüsselfeld gezogen – dabei wurde die Kirche beschädigt – ward überall blutige Fasnacht. Dem Bauzustand entsprechend einfach war der Zugang zu den oberen Teilen der Zehntscheune. Im schon erwähnten Zwischenbau dürfte es eine einfache Treppe gegeben haben und der 1 ½ stöckige Bau hatte ein Satteldach. Zum Dachboden führte außen an der Giebelwand eine einläufige Blockstufentreppe.

Vermutlich erst 100 Jahre nach dem Dreißigjährigen Krieg hatte sich Schlüsselfeld von diesen Folgen soweit erholt, dass die Nutzung der Zehntscheune „erweitert” werden musste. 1746/1747 wurde in das Obergeschoss das heute so dominierende Balkenwerk eingezogen. Die Gabelausbildung der Stützen ist ein deutliches Zeichen für den nachträglichen Einbau. Entsprechend musste auch die Erschließung angepasst werden. Der Zwischenbau wurde erhöht und mit einer besseren Treppe ausgestattet. Die alte Blockstufentreppe wurde an die Giebelinnenwand verlegt. Über all diese Jahre war es die bischöfliche Zehntscheune. Verschiedene Reparaturrechnungen aus dieser Zeit zeigen, dass sie nicht anders genutzt wurde.

Dann kamen die Bayern. Schlüsselfeld, in der Zeit zwischen 1803 und 1810 ein Spielball der Politik Napoleons, wurde 1810 endgültig bayerisch und damit auch die bischöflichen Besitzungen. Aus dem Amtshaus und der Zehntscheune wurde eine bayerische Oberförsterei, die dem Forstamt in Ebrach unterstellt war. 1885 wurde Schlüsselfeld dann ein selbständiges Forstamt mit einem Forstmeister, der natürlich im ehemaligen fürstbischöflichen Amtshaus residierte.

Da das Forstamt ein kostenloses Wasserbezugsrecht aus der städtischen Wasserleitung hatte und die entnommene Wassermenge immer wieder Gegenstand ausführlichen Briefwechsels war, wissen wir, wie so ein Forstamt bewohnt war. 1912 lebten hier 8 Personen, 2 Pferde und 6 Stück Großvieh. Der Forstmeister hatte offensichtlich auch einen „landwirtschaftlichen Betrieb“.

Die Zehntscheune wurde durch das Forstamt bzw. dessen Bewohner genutzt. Umso erstaunlicher ist die Tatsache, dass der Gebäudeunterhalt für das Forsthaus durch den Forst, der Gebäudeunterhalt der Zehntscheune aber durch das bayerische Landbauamt erfolgte.

Ende der 1950er Jahre stand offensichtlich wieder einmal eine größere Sanierung der Zehntscheune an. Das Landbauamt will diese nicht mehr durchführen und will, dass auch die Zehntscheune vom Forst übernommen wird. Dort ist man davon nicht begeistert und teilt mit, dass die Zehntscheune nicht benötigt wird. Das Landbauamt erwägt daraufhin den Abriss des Gebäudes. Gottseidank ergeben die Berechnungen, dass die Kosten für den Abriss in keinem Verhältnis zur Höhe der zu erwartenden Einnahmen aus dem Verkauf der Baumaterialien stehen. Die Zehntscheune bleibt stehen. 1960 einigt man sich dann doch noch darauf, dass die Zehntscheune dem Forst zugeschlagen wird. Die „Begeisterung“ für diese Übernahme zeigt die Tatsache, dass die Beurkundung erst 1966 erfolgt ist.

1972 bis 1978 war in Bayern die Zeit der großen Gebietsreform. Schlüsselfeld mit seiner Randlage tat sich besonders schwer, die geforderte Größe von 5.000 Einwohnern zu erreichen, um wieder eine selbstständige Einheitsgemeinde bilden zu können. Am 01.05.1978 ist die neue Stadt Schlüsselfeld entstanden. Gebildet aus neun ehemaligen Gemeinden. Nun wieder bei Oberfranken und beim Landkreis Bamberg.

Damit wird das bisherige Rathaus mit seinen nur drei Verwaltungsräumen zu klein.

Am 28.06.1977 kauft deshalb die Stadt Schlüsselfeld das Anwesen. Das Forstamt war vorher nach Höchstadt/ Aisch verlegt worden.

Finanziert wird der Kauf und ein Teil der Umbaukosten durch den Verkauf des Knörrleins, einen Teil des Bürgerwaldes. Der folgende Umbau des Amtshauses und der Zehntscheune ist der wohl größte Eingriff in die Bausubstanz der beiden Gebäude. Fast alle Nebengebäude, zum Beispiel die große Remise und die Schuppen im Hof, werden abgerissen. Nur die kleine Waschküche bleibt stehen und wird später als Sozialraum für den Bauhof genutzt. Für die Zehntscheune bringt der Einzug des städtischen Bauhofes einschneidende bauliche Veränderungen. Aus den ehemaligen Stallungen und landwirtschaftlichen Räumen werden Werkstatt und Garagen. Dazu werden in die Westwand große Tore gebrochen. Die Gewölbe des Erdgeschosses werden ebenfalls mit großen Durchgängen verbunden. Es spricht für das Gespür des damaligen Bauhofleiters, dass hier Torbögen entstehen, die sich harmonisch in die Fassade einfügen. In den beiden Obergeschossen und an den Dachböden wird nichts geändert. Der Bauhof muss sie so nutzen, wie sie entstanden sind. Eine Situation, die mit der Zeit immer unwirtschaftlicher wird. Der unzureichende Zugang zu den Obergeschossen macht es notwendig, alles von außen durch Tür- und Fensteröffnungen einzubringen.

Die Stadt Schlüsselfeld baut deshalb 2012 einen modernen Bauhof auf dem städtischen Materiallager in der Debersdorfer Straße. Eine neue Nutzung für die Zehntscheune wird gesucht.

In der zweiten Jahreshälfte 2009 erarbeitet ein Arbeitskreis ein Konzept und es wird ein Ideenwettbewerb ausgeschrieben. Bereits im Januar 2011 geht der Vorschlag von Architekt Christoph Gatz aus Bamberg als Sieger aus dem Ideenwettbewerb hervor. Er erhält dann auch den Auftrag zum Umbau der Zehntscheune. Es soll ein Bürgersaal entstehen. Der Rathaushof – bisher Betriebshof und Parkplatz - soll ebenfalls umgestaltet werden. Die denkmalpflegerischen Voruntersuchungen, die natürlich dem tatsächlichen Umbau vorangehen müssen, bestätigen die bekannte Geschichte des Gebäudes. Neue Erkenntnisse gibt es zum kleinen Verbindungsbau zwischen Amtshaus und Bürgersaal.

2014 beginnen die Umbauarbeiten, die mit der Einweihung im Januar 2016 abgeschlossen werden. Entstanden sind Räume, die sich modern, aber harmonisch in das historische Gebäude einfügen: Ein Trauzimmer, eine Küche, Toiletten und ein Foyer mit viel Flair im Erdgeschoss. Ein Bürgersaal mit moderner Technik und vielen gut umgesetzten Ideen im Obergeschoss. Dank einer sehr guten Förderung (ca. 78 %) der Baumaßnahme konnte die Stadt Schlüsselfeld mit einem geringen Eigenanteil dieses historische Gebäude wieder einer sinnvollen Nutzung zuführen.

Schlüsselfeld, September 2016
Georg Zipfel